Methodik der Gestalttherapie

Historie und Gestaltansatz
Wesentliche Prinzipien in der Gestalttherapie 

Arbeitsweise






Ziele der Beratung
  • Die Gestalttherapie entwickelte sich in der Mitte des letzten Jahrhunderts aus der Psychoanalyse und ist ein humanistisches Verfahren, bei dem der Mensch als ganzheitliches Wesen gesehen wird. Begründer ist das Ehepaar Lore und Fritz Perls, beide ursprünglich Psychoanalytiker, und der Soziologe Paul Goodman, die Anfang der 50er Jahre den Gestaltansatz erstmalig formulierten. Zur Weiterentwicklung und -verbreitung trugen u.a. Erving und Miriam Polster, Isadore Fromm und James Simkin bei.

  • Bei Behinderung von gesundem Wachstum/Weiterentwicklung zeigt uns unser Organismus, dass er etwas anderes braucht, ein anderes Bedürfnis hat. Es entstehen z.B. Schmerzen, Konflikte oder diffuse Unzufriedenheit: Eine offene Gestalt! Wenn wir diese offenen Gestalten ignorieren oder sogar nicht mehr wahrnehmen, übergehen wir unsere lebensspendenden Prozesse bzw. wir leben gegen unsere natürliche Ordnung und unsere Lebendigkeit.
  • Die mit der Gestaltpsychologie verbundene Feldtheorie sieht den Lebensraum, das heißt die Person und deren Umwelt als Einheit und untrennbares Ganzes (Feld), in dem alles in Bewegung ist und miteinander in Beziehung steht. Der Begriff "Gestalt" steht für Ganzheit, nach der die natürliche Ordnung in sinnvollen Prozessen strebt. Wenn diese Prozesse den Menschen körperlich, seelisch und geistig nähren und wachsen/entwickeln lassen, sprechen wir von geschlossenen Gestalten. 

  • Förderung und Ausdehnung der inneren Achtsamkeit 
  • Wenn ich verstehe und erlebe, was in meinem Leben passiert, kann ich zum selbstverantwortlich Handelnden werden statt in die Opferrolle zu gehen. Bewusstheit für das eigene Tun, die eigenen Ziele, Gedanken, Gefühle, Wünsche, die eigenen inneren Anteile etc. bringen das eigene Potential zu größerer Entfaltung. Aus der gesteigerten Bewusstheit ergeben sich neue Einsichten in die eigenen Verhaltensweisen und eigene Blockierungen können erfahren werden.
  • Hierzu dienen in der Beratung verschiedene angeleitete Aufgaben zur Selbsterforschung und Förderung der Achtsamkeit. Der Klient/-in lernt, sich mehr zu spüren und seine eigenen Bedürfnisse klarer zu erkennen. Häufig sind wir stark beeinflusst von z.B. Forderungen aus dem Umfeld, von Medien, die uns Wünsche, Meinungen etc. suggerieren. Wir sind unbewusst fremdbestimmt. Aber wer weiß eigentlich besser, was gut für jeden Menschen ist, als jede Person selbst? Wenn wir stärker unsere eigenen Bedürfnisse spüren, entscheiden wir eventuell anders, mehr zu unserem Wohl. Wir unterscheiden genauer, was wir wirklich brauchen und wollen. Eine selbstbestimmte und bewusste Entscheidung befriedigt und nährt uns besser als eine fremdbestimmte Manipulation. Dafür ist die Achtsamkeit die Grundvoraussetzung.
  • Hier & Jetzt
  • Wir vertrauen auf die sogenannte organismische Selbstregulation. Der Organismus zeigt seine wichtigste "offene Gestalt" immer aktuell. Der gerade wichtigste Prozess im Leben des Klienten/-in wird in der Beratung aufgegriffen und bekommt neue Impulse, die wiederum in den Organismus einfließen und Veränderung herbeiführen. Es wird somit im Hier & Jetzt gearbeitet und nicht primär in der Kindheit. Das heißt, wir erforschen die unmittelbar gegenwärtige Erfahrung der Person phänomenologisch.
  • Ich-Du-Beziehung
  • Auf die Beziehung zwischen Beraterin und Klient/-in wird großen Wert gelegt. Der Mensch wird am "Du zum "Ich" (Martin Buber). Ergebnisse jüngerer Forschungen zeigen, dass die Beziehungsfähigkeit des Beraters entscheidend für den Veränderungserfolg ist. Die Kontaktfähigkeit des Menschen hängt unmittelbar mit seiner Dialog- und Beziehungsfähigkeit zusammen. Der Gestaltansatz stellt also mit der Dialogfähigkeit ein scheinbar selbstverständliches, aber umso beachtenswerteres Medium in den Mittelpunkt.
  • Eigenverantwortung
  • Wir gehen davon aus, das der Klient/-in selbst weiß, was ihm oder ihr fehlt. Die Beraterin versteht sich weniger als Expertin, die weiß was richtig ist für ihr Gegenüber, sondern eher als Begleiterin für die Wege, die der Klient/- in sich entdeckt und gehen will. Gleiches gilt auch für die Intensität und Geschwindigkeit in der Beratung.

  • Als humanistisches Verfahren sieht der Gestaltansatz den Menschen ganzheitlich. Das beinhaltet einerseits die oben erwähnte Feldtheorie aber auch die Ganzheit des Leib-seelischen Organismus mit den drei Ebenen Körper, Seele und Geist. Der Körper wird stark in den Prozess einbezogen, da ein Gefühl immer auch ein körperliches Ereignis ist und nicht nur ein Gedanke. Z.B. Tränen, Schluchzen bei Trauer, Lachen bei Freude oder diffuse Kopf- oder Bauchschmerzen bei diffusen Emotionen. Bei Ansprache aller Ebenen in der Beratung werden alle Möglichkeiten genutzt, tiefer zu erkennen und zu verinnerlichen. Es wird erlebt, gefühlt, und ausprobiert.

  • Die Beraterin legt Wert auf eine dialogische Klient/-in Beziehung im Sinne Martin Bubers, die interessiert wertschätzt, was in der Begegnung auftaucht und damit weiterarbeitet. Die unmittelbare gegenwärtige Erfahrung der Person, ihrer Phänomenologie ist Ausgangspunkt der Beratung.

  • Die Beraterin strebt keine verhaltensmodifizierende Manipulationen an. Stattdessen vertraut sie darauf, dass der Klient/-in seinen Lebensplan in sich trägt. Durch aktives Experimentieren kann die Bewusstheit des Klienten/-in über die Gegebenheit seiner Situation weiter gesteigert werden. Auch können hier im geschützten Raum ausgewogene Risiken eingegangen werden, neue Verhaltensweisen und Reaktionen auszuprobieren. Das Verhaltensrepertoire wird aus dem Selbsterleben und Ausprobieren erweitert.

  • Perls sagt: "Bewusstheit ist per se schon heilend, da Veränderung geschieht, wenn man sich dem stellt, was man gegenwärtig ist und dies akzeptiert, und sich nicht angestrengt bemüht, jemand anderes zu sein."

  • Die Förderung der Bewusstheit kann den Klienten/-in dazu führen, dass er erkennt, wie er seine Anpassungsmuster erschafft und aufrecht erhält und wie er sich selbst im Wege steht. Dadurch erhält der Mensch mehr Wahlmöglichkeiten, und damit mehr Freiheit. In diesem freiheitlichen Sinn kann er zunehmend Selbstverantwortung für sein Verhalten übernehmen.

  • Durch höhere Bewusstheit kann auch die Kontaktfähigkeit mit sich selbst und seinem Umfeld erweitert werden. Das heißt, der Mensch wird konflikt- und konsensfähiger durch seine Selbstverantwortung. Wieviel Nähe und Distanz brauche ich und verfüge ich nur über gut eingeübte Verhaltensweisen und handle aus diesen heraus stereotyp? Oder habe ich auch andere Wahlmöglichkeiten?

  • Automatisierte Verhaltensmuster werden im Gestaltansatz als kreative Anpassungsprozesse an des Menschen and widrige Umstände in seinem Umfeld verstanden. In diesen Prozessen werden z.B. ursprüngliche Gefühle oder Bedürfnisse unterdrückt. An deren Stelle treten automatisierte Reaktions- und Handlungsmuster. Ziel ist die Wiederbelebung solcher verloren gegangener oder verschütteter Anteile unseres Selbst. 

  • Wir können authentischer und selbstbestimmter werden. Wir spüren uns selber besser und damit auch andere Menschen, was zu größerer Empathie führt. Insgesamt kann ein tieferer Kontakt zu uns selbst und unserem Umfeld entstehen und damit zu mehr Zufriedenheit, Selbstwertgefühl und Authentizität. Authentische Menschen strahlen mehr Klarheit aus, die wiederum dem Umfeld Sicherheit und Zuverlässigkeit vermitteln. Das verstärkt die Vertrauensbasis in Beziehungen zu anderen Menschen.
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